Gott spricht: „Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch.“ (Hesekiel 36,26)
Liebe Gemeindeglieder, liebe Freunde unserer Gemeinden,
es ist Reformationsjubiläum – und alle machen mit. Es gibt Luther-Bonbons, Luther-Bier, Luther-Kekse, Luther-Brot, Luther-Kulis, Luther-Playmobil-Figuren, Luther-Frisbee-Scheiben, massenweise Luther-Bücher und riesige Events zu Luthers Ehren.
Das Problem ist: Luther selbst würde das wahrscheinlich ganz und gar furchtbar finden. Als er mitbekam, dass man seine Anhänger „Lutheraner“ nannte, ist er förmlich ausgerastet: „Was ist denn dieser Madensack Luther wert“, hat er gesagt. „Es geht doch nicht um mich, sondern um Christus! Der ist das Herz des Christentums!“
Witzigerweise sagen das die allermeisten Produkte aus, die da so zu Luthers Ehren hergestellt werden – ohne es zu wissen. Auf die meisten wird nämlich Luthers Wappen aufgedruckt: Die Luther-Rose (siehe Deckblatt). Und da ist genau das zu sehen: Das Kreuz, also der gekreuzigte Jesus Christus, steht im Zentrum, im Herz des Wappens. Darum ging es Luther, und den vielen anderen Reformatoren: Dass Jesus wieder in den Mittelpunkt gestellt wird, und mit ihm sein Wort.
Ein Gemeindeglied fragte mich neulich: „Was ist es, was wir deiner Meinung nach wieder neu entdecken sollten im Reformationsjahr?“ Ich glaube: Es ist genau das! Dass wir uns wieder auf Christus konzentrieren und auf das, was er uns zu sagen hat. Das wäre im Sinne Luthers und aller Reformatoren.
„Zufällig“ ist das auch Inhalt der Jahreslosung: „Gott spricht: Ich schenke euch ein neues Herz.“ Nämlich ein Herz, in dem Jesus Christus wohnt. Und wo schenkt er das? Da, wo er mit uns spricht: Wo ich in den Gottesdienst gehe, wo ich in der Bibel lese, wo ich im Gebet mit ihm im Gespräch bin, wo ich mir per App jeden Tag einen Bibelvers aufs Handy schicken lasse, wo ich eine Radioandacht höre. Da verändert Gott mein Herz.
Und dann kann ich auch fröhlich ein Lutherbier trinken.
Es grüßt Sie und Euch ganz herzlich Pfarrer Johannes Heicke
Kategorie: Geistliches Wort
Geistliches Wort Dezember-Februar
Krippe ohne Kreuz ist Kitsch
Liebe Gemeindeglieder, liebe Freunde unserer Gemeinden,
alle großen Ereignisse werfen ihren Schatten voraus – so auch das Weihnachtsfest.
Die Adventszeit ist geprägt von vielen schönen Dingen: von weihnachtlichen Düften, heimeligem Kerzenlicht, Plätzchen,
Zimtsternen und Glühwein. Und natürlich von der Suche nach den Geschenken für unsere Lieben. Im Grunde genießen wir diese „Schatten“, sie gehören zum Fest dazu – auch wenn sie manchmal etwas Stress mit sich bringen.
Aber ist der Schatten schon das Weihnachtsfest? Nein. Weihnachten ist verfehlt, wenn wir im „Christkind“ nur das niedliche Baby sehen, das nichts weiter von sich gibt als ein liebliches Lächeln. Weihnachten ist verfehlt, wenn wir nicht auch die Schatten des darauffolgenden „Festes“ in den Blick nehmen. Das macht das schöne Lied „O du fröhliche“ in der zweiten Strophe ganz klar: „Christ ist erschienen, uns zu versühnen“, heißt es da. Also: Christus ist an Weihnachten geboren, um uns durch sein Sterben am Kreuz mit Gott zu versöhnen. Ansonsten hätte Christus gar nicht in die Welt kommen müssen – dann wäre Weihnachten sinnlos.
Ja, auch Karfreitag wirft seine Schattenvoraus. Das Holz der Weihnachtskrippe weist schon hin aufJesu Sterben am Holz des Kreuzes – sein Sterben für uns. Gott wird überhaupt nur deswegen Mensch in diesem kleinen Kind in der Krippe, damit er sein Leben für die Vielen – also für uns – lässt. Jesus stirbt, damit Du und ich ewig leben können. Das ist der tiefere Sinn von Weihnachten, ja der tiefere Sinn der ganzen Geschichte Gottes mit den Menschen.
„Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus.“ Der Schatten der Krippe ist das Kreuz. Freud und Leid liegen dicht beieinander, manchmal viel dichter, als wir es uns wünschen. Das Gute ist: Am Ende steht die Freude, weil Jesus ja nicht im Tod geblieben, sondern auferstanden ist, und alle, die an ihn glauben, ins ewige Leben ruft.
In weihnachtlicher (Vor-)Freude
grüßt Sie und Euch ganz herzlich
Ihr/Euer Pfarrer Johannes Heicke
Geistliches Wort Oktober-Dezember
Gott hat den Leib Christi, die Gemeinde, zusammengefügt und dem geringeren Glied höhere Ehre gegeben, damit im Leib keine Spaltung sei, sondern die Glieder in gleicher Weise füreinander sorgen. (1. Korinther 12,24-25)
Liebe Gemeindeglieder, liebe Freunde,
in den vier Jahren, die ich in unserem Pfarrbezirk Dienst tue, ist ein Satz immer seltener geworden. Dieser Satz lautet: „Die Gemeinde müsste doch mal…“ – und dann kommen die Dinge, die dem Gesprächspartner am Herzen liegen.
Ich finde das schön, dass dieser Satz seltener geworden ist. Er bedeutet ja sinngemäß: „Ich gehöre gefühlt gar nicht dazu zu dieser Gemeinde. Warum sollte ich mich selber mit um die Erledigung dieses Problems kümmern.“ Ich vermute, dass diese Sichtweise viel mit der langen Vakanzzeit unserer Gemeinden zu tun hat.
Stattdessen höre ich heute deutlich öfter: „Wir als Gemeinde / Vorstand / Kommission müssten doch mal…“. Das entspricht dem Bild, das Paulus uns von Gemeinde malt: Gemeinde als ein Körper aus vielen Körperteilen, von denen jedes seinen Teil dazu beiträgt, dass der Körper gesund bleibt.
Der Körper ist dann gesund, wenn die Körperteile zusammen spielen, gut miteinander kommunizieren. Wenn sie eine Einheit,
eine Gemeinschaft bilden. Übertragen auf die Gemeinde bedeutet das: Es ist nötig, dass wir uns begegnen, dass wir kommunizieren, damit der Leib gesund ist und wächst – innerlich wie äußerlich.
Neben allen anderen Orten, an denen Gemeinde sich begegnet, entsteht Gemeinschaft vor allem im Gottesdienst. Paulus sagt: „Gott hat die Gemeinde zusammengefügt.“ Und er tut es immer wieder neu, jeden Sonntag, indem er mit uns spricht in Lesungen und Predigt. Und wir antworten ihm in Gebeten und Liedern. Das Abendmahl fügt uns als Leib Christi zusammen.
Um diese Gemeinschaft zu fördern, hat der Kirchenvorstand in Schwenningdorf eine neue Gottesdienstform ins Leben gerufen (siehe S. 13). Vielleicht sehen wir uns ja am 27.11.
Bis dahin alles Gute,
Ihr Pfarrer Johannes Heicke
Geistliches Wort Juli-Oktober
Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo sie die Motten und der Rost fressen und wo die Diebe einbrechen und stehlen. Sammelt euch aber Schätze im Himmel. Matthäus 6,19-20
Liebe Gemeindeglieder, liebe Freunde,
vor ein paar Wochen fragte mich ein Gemeindeglied: „Warum sprechen wir eigentlich so viel übers Geld in unserer Gemeinde? Das war früher nicht so!“ Diese gute und hilfreiche Frage hat mich nachdenklich gemacht.
Zunächst stellt sich die Frage: Woran liegt das? Ich glaube, dass wir grundsätzlich nicht gern über Geld sprechen. Früher war das auch gar nicht nötig, weil es eine andere Selbstverständlichkeit gab, zur Kirche zu gehen und sie auch zu finanzieren. So ist es nicht verwunderlich, dass die Kirche heute offenlegt, wie überhaupt ihre Finanzen funktionieren (siehe beigelegtes Faltblatt), aufzeigt, wo das Geld knapp wird (siehe Gemeindeversammlungen S. 8 und 17) und was die Folge ist – nämlich die Überlegung, ob Schwenningdorf Pfarrsitz bleibt (siehe Regionalkonferenz S. 21).
Die zweite Frage ist: Darf ich denn in der Kirche überhaupt übers Geld sprechen? Es ist erstaunlich, wie häufig Jesus selbst über das Geld redet: 50% seiner Gleichnisse haben mit Geld und Besitz zu tun! Und wenig Themen sind ihm so wichtig wie das Geben.
Besitz hat damit eine geistliche Dimension: Wofür ich mein Geld ausgebe, das ist mir wichtig im Leben. Und: Je mehr ich mich auf meinen Besitz verlasse, ihn festhalte, desto weniger verlasse ich mich auf Gott. Die Frage ist nur: Was ist am Ende verlässlicher? Was trägt wirklich im Leben – und im Sterben? Sollte ich lieber bei den Banken investieren – oder im Reich Gottes? Genau deshalb ist es wichtig, in der Kirche auch über Geld zu sprechen.
Bei allem Reden über’s Geld bleibt aber wichtig: Nicht wir und unser Verdienst erhalten die Kirche, sondern unser Herr Jesus Christus. Im Vertrauen auf ihn bleiben wir fröhlich unterwegs und bauen mit an seiner Kirche und Gemeinde.
Einen gesegneten Sommer wünscht
Ihr Pfarrer Johannes Heicke
Geistliches Wort Mai-Juni
Orientiert euch nicht am Verhalten und an den Gewohnheiten dieser Welt, sondern lasst euch von Gott durch Veränderung eurer Denkweise in neue Menschen verwandeln. Römer 12,2
Liebe Gemeindeglieder, liebe Freunde,
es war einmal eine Spinne, die großen Hunger hatte. Sie fand keine Nahrung. Sie besann sich einer Kunst und Gabe, die sie von ihrem Schöpfer bekommen hatte. Sie ließ aus ihrem Körper einen Faden fließen. Den band sie oben fest, ließ sich daran hinunterfallen und baute ihr Netz.
So spann sie mit ihrem eigenen Faden ihr Werk, in die Mitte ausgerichtet, nach den Seiten verwoben. Eine Pracht war es, ihr Kunstwerk anzusehen. Und sie mochte selbst darauf stolz gewesen sein, so kräftig war es. Und als am Morgen der Tau sich sanft daran setzte, glänzte es wie ein Kristall in der aufgehenden Sonne.
Auch Hunger brauchte sie nicht mehr zu haben. Fliegen, Mücken, Insekten aller Art verfingen sich im Netz. Und sie hatte Nahrung im Vorrat.
Nur eines störte sie, als sie sich immer wieder an ihrem Kunstwerk erfreute: der Faden von oben nach unten. War der noch nötig? Bisher hatte ihr dieser Faden keine einzige Fliege eingebracht. Da biss sie ihn kurzerhand ab. Doch zu ihrem Entsetzen: Das Netz fiel in sich zusammen. Und sie mittendrin. Ihr Werk war zerstört. Und nur, weil sie eines vergessen hatte: die Bedeutung des Fadens nach oben, der ihr Halt gab.
Diese kleine Geschichte aus einer Predigt der letzten Wochen beschreibt ein Problem des gegenwärtigen Christentums: Auch wir bauen uns ein schönes Netz, ein schönes Leben. Und wir vergessen dabei, woran unser Lebensnetz in Wirklichkeit hängt, wer unser Lebensfaden ist, wer uns auffangen kann, wenn unser Lebensnetz in sich zusammenfällt. Wir denken: Gott ist sicher ein netter Kerl, aber seine Nähe brauche ich nicht.
Weil wir Christen den Faden nach oben verachten, weil wir immer seltener den Halt von oben haben wollen, deshalb wird auch unser Glaube immer schwächer – und trägt im Ernstfall nicht mehr.
Die gute Nachricht ist: Bald, an Pfingsten, kommt der Heilige Geist, der uns diesen Faden wieder neu spinnen hilft. Er gibt uns neuen Glaubensmut – und das tut er nun mal ganz besonders im gemeinsamen Bibellesen, Beten und Singen, sprich: Im Gottesdienst!
Einen gesegneten Frühling wünscht
Ihr Pfarrer Johannes Heicke
Geistliches Wort März-April 2016
Gott spricht: Ich will dich trösten, wie einen seine Mutter tröstet. Jesaja 66,13
Liebe Gemeindeglieder, liebe Freunde,
ein markerschütternder Schrei gellt durch das Treppenhaus. Gleich darauf lautes Weinen. Und natürlich der unvermeidliche Ruf: „Mama, Aua!“ Unsere Jüngste hat sich den Finger geklemmt. Und da kann Papa noch so nah daneben stehen und fragen: „Soll ich pusten?“ Da kann dann doch nur eine trösten: Die Mama!
Dass das so ist, weiß auch die Jahreslosung dieses neuen Jahres aus Jesaja 66,13:
Wir kennen sonst vor allem die Bibelstellen, die von Gott als dem Vater reden. Auch das ist ja schon was Wunderbares, das es in der Form nur in Christentum und Judentum gibt: Gott will uns so nah sein, dass wir ihn Vater nennen dürfen.
Was aber, wenn ich keinen guten Vater hatte? Wenn ich vielleicht sogar von ihm geschlagen worden bin? Macht das nicht auch mein Bild von Gott kaputt?
Deshalb stellt Gott dem Vaterbild noch eine Reihe andere Bilder zur Seite, unter anderem das der liebenden Mutter. Weil er weiß: Es gibt Situationen, da kann eben nur die Mutter trösten. Und so gibt es Situationen, da kann nur noch Gott trösten – zum Beispiel dann, wenn die Mutter grade nicht erreichbar oder vielleicht auch schon gestorben ist.
Aber wie geht das: Gott tröstet? Indem er uns gut zuredet, wie das eine Mutter tut. Nämlich jeden Sonntag Morgen im Gottesdienst. Und wann immer ich meine Bibel aus dem Schrank nehme, den Staub runter puste und sie tatsächlich mal wieder lese.
Und indem er uns zuhört, wie das eine Mutter tut. Im Gebet hat er immer ein offenes Ohr. Und wer lieber ein direktes Gegenüber hat, dem hört er auch in Form eines Seelsorgers oder eines anderen Christen zu.
Und natürlich, indem er uns in den Arm nimmt, wie einen seine Mutter in den Arm nimmt. Das tut er durch Schwestern und Brüder im Glauben, die mich einfach mal kräftig drücken, wenn’s mir schlecht geht. Und einen Ort gibt’s, an dem er uns ganz persönlich „in den Arm nimmt“: Im Heiligen Abendmahl. Da kommt Jesus ganz leibhaftig zu uns. Er nimmt uns in den Arm und verzeiht uns alles, was in unserem Leben schief gelaufen ist. Und schließlich im Segen, da breitet er im Himmel seine Arme aus (der Pastor macht das nur nach) und stärkt uns neu für alles, was im Lauf der Woche auf uns zukommt.
Eine gesegnete Passions- und Osterzeit wünscht
Ihr Pfarrer Johannes Heicke
Geistliches Wort Dezember 2015 – Januar 2016
Als die Weisen weggezogen waren, siehe, da erschien der Engel des Herrn dem Josef im Traum und sprach: Steh auf, nimm das Kindlein und seine Mutter mit dir und flieh nach Ägypten. Matthäus 2,13
Liebe Gemeindeglieder, liebe Freunde,
wenn ich in den letzten Wochen und Monaten so an meinem Schreibtisch sitze und überlege, wie die biblische Botschaft in Predigten und Andachten in die aktuelle Zeit sprechen will, kommt mir immer wieder die Flüchtlingsfrage in den Sinn. Auch im Bezug auf das Weihnachtsfest reisen meine Gedanken zu diesem Kind, das an Weihnachten auf Wanderschaft in einer Futterkrippe Unterkunft findet – und das schon kürzeste Zeit später selbst zum Asylsuchenden im fernen Ägypten wird.
Nun ist es auf einer Seite im Gemeindebrief nicht möglich, diese komplexe Frage zu erörtern, wie der Staat bei der Aufnahme von Flüchtlingen verfahren sollte. Und das ist auch gar nicht meine Aufgabe. Aber wie aus biblischer Sicht mit den Menschen umzugehen ist, die schon da sind, dazu können wir Christen schon so manches in der Bibel finden.
Erstmal glaube ich gilt es ernst zu nehmen, dass bei der Begegnung mit dem Fremden immer auch Angst mitschwingt. Gerade nach solchen Anschlägen wie denen in Paris und in Mali – obwohl diese Täter gerade keine Flüchtlinge waren, sondern im Fall von Paris französische und belgische Staatsbürger. Angst vor dem Fremden ist normal. Bloß: Wie gehe ich mit dieser Angst um? Lasse ich mich davon gefangen nehmen?
Jesus mutet uns zu, uns von dieser Angst zu befreien – indem wir sie überwinden und auf Menschen anderer Nationalitäten zuzugehen. Vielleicht genau deshalb, weil er selber als Kind die Erfahrung der Flucht gemacht hat. Er identifiziert sich selbst mit den Fremden (Matthäus 25,37-40): Was Ihr einem dieser Fremden getan habt, das habt Ihr mir getan.
Vielleicht ist es ja gerade in der Weihnachtszeit einen Versuch wert, zum Beispiel mal im geschützten Rahmen beim Treff International in unseren Gemeinderäumen dabei zu sein oder an anderer Stelle das Gespräch zu suchen.
Eine gesegnete Advents-und Weihnachtszeit wünscht, auch im Namen des übrigen Redaktionsteams,
Ihr Pfarrer Johannes Heicke
Geistliches Wort Oktober-November 2015
Liebe Gemeindeglieder unserer Gemeinden,
liebe Freunde,
zum ersten Mal darf ich Ihnen schreiben. Ich freue mich darüber, auch wenn es immer heißt: Aller Anfang ist schwer.
Das erlebe ich oft so: Ein Anfang oder auch ein Neuanfang, die sind schwer. Vieles muss sich neu sortieren und das was sich an alter Stelle schon zu einer Gewohnheit entwickelt hat und leicht von der Hand geht, ist auf einmal mühsam und braucht viel Zeit und gründliches Nachdenken.
Jedem (Neu-)Anfangen wohnt aber auch große Chance inne. Ende Oktober vor nun 498 Jahren, da gab es so einen Neuanfang, der viele Möglichkeiten und Chancen beinhaltete. Am 31. Oktober 1517 schlug Martin Luther seine 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg. Kern dieser Thesen war Luthers Überzeugung, dass seine geliebte Kirche auf Abwegen sei und wieder auf den richtigen Kurs gebracht werden müsse. Er wollte einen Gesprächsgang ‚anzetteln‘ um die gängige Praxis der Sündenvergebung mitsamt Ablasshandel abzuschaffen.
Luthers Überzeugung fußt auf einer der Grundfesten der biblischen Überlieferung, die auch wir uns immer wieder neu sagen lassen
müssen, weil sie unserem sonstigen Leben und Erleben in unserer Welt so entgegengesetzt zu sein scheint. Oft wird der Wert unseres
Lebens doch darüber bestimmt, was wir leisten, was wir verdienen, und auch darüber, was wir uns leisten können. Zu Gott dürfen wir aber mit allem kommen, was uns ausmacht, und das sind auch und vor allem unsere schwachen Eigenschaften und Momente und unser Scheitern. Vor Gott müssen wir nichts leisten, ihm müssen wir auch nicht vorweisen, was wir uns leisten können. Wir sind vor ihm „ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist“, wie Paulus an die Gemeinde in Rom schreibt.
Diese Worte zugesagt zu bekommen, ist für mich immer wieder wie ein Neuanfang. Diese Zusage holt mich aus meinem menschlichen Leistungsdenken und gibt mir die Freiheit, mein Leben als Geschenk Gottes zu leben. Diese Freiheit zu erleben, ist immer wieder eine große Freude.
Diese Freude wünsche ich auch Ihnen und grüße Sie im Namen aller Redakteure und der beiden Pastoren,
Ihr Vikar Florian Reinecke
Geistliches Wort September-Oktober
Liebe Gemeindeglieder in Johannesgemeinde und Bethlehemsgemeinde,
in Dreieinigkeitsgemeinde und Petrusgemeinde,
liebe Freunde,
„Danket dem Herrn, denn er ist freundlich und seine Güte währet ewiglich.“ Oft spreche ich nach dem Essen dieses Dankgebet. Angesichts der Trockenheit im Frühsommer und der Regenmassen der vergangenen Tage hat mancher Bauer wohl eher die zu erwartenden Ernteausfälle vor Augen als Worte des Gotteslobes auf den Lippen.
Als ich den Satz auf dem Titelbild gelesen habe „Die Zeit ist reif. Gott möchte, dass wir ernten und danken,“ ist mir trotz des Getreides eine ganz andere Ernte in den Sinn gekommen – die Ernte des Lebens nämlich. „Danket dem Herrn, denn er ist freundlich und seine Güte währet ewiglich.“ Das kann ich sagen nicht nur angesichts des Essens auf meinem Teller, sondern angesichts so
vieler Dinge, mit denen Gott mich gesegnet hat: meinen Begabungen, den Möglichkeiten, diese Begabungen zu leben, die Menschen um mich herum, die mein Leben bereichern, manchmal mit ungetrübter Freude, manchmal mit Herausforderungen, die es zu bestehen gilt.
So möchte ich meinen ganz persönlichen Dankpsalm schreiben und damit zum Mitdanken einladen: „Danket dem Herrn, denn
er ist freundlich und seine Güte währet ewiglich.
Die, die täglich genug zu essen haben und keinen Mangel leiden, die, die erschöpft waren von Wochen und Monaten anstrengenden Tuns und dann Tage der Ruhe und Erholung hatten,
die, die wissen, was Einsamkeit ist und doch Menschen fanden, die sich kümmern –
sie sollen dem HERRN danken für seine Güte und für seine Wunder, die er an den Menschenkindern tut.
Die, die in ihren Heimatländern in Angst und Schrecken waren und nun hier in Frieden leben können,
die, die auf der Flucht voneinander getrennt wurden und einander glücklich wiederfanden,
sie sollen dem HERRN danken für seine Güte und für seine Wunder, die er an den Menschenkindern tut.
Die, die entdeckten, wie die alltägliche Gottlosigkeit auch ihr Leben prägte und doch hören durften: ‚Dir sind deine Sünden vergeben‘,
die sollen dem HERRN danken für seine Güte und für seine Wunder, die er an den Menschenkindern tut.“
Ich „ernte“ und danke und grüße Sie.
Ihr Bernd Reitmayer
Geistliches Wort Juni-August
Geh aus, mein Herz, und suche Freud in dieser lieben Sommerzeit an deines Gottes Gaben; schau an der schönen Gärten Zier und siehe, wie sie mir und dir sich ausgeschmücket haben. (ELKG 371)
Liebe Gemeindeglieder unserer Pfarrbezirke,
liebe Freunde,
in den letzten Wochen habe ich es zum ersten Mal in meinem Leben erlebt: Ich habe mir gewünscht, dass es regnet. Da musste ich also erst Hobbygärtner werden und die ersten Kürbisse und Zucchini, Dahlien und Rosen pflanzen, um nachvollziehen zu können, was für so viele Landwirte ganz selbstverständlich ist: Die Bitte um Regen.
Denn nur so kann die Natur hervorbringen, was uns ernährt und auch was uns fröhlich macht. Wie eben die vielen Dinge, die in „Geh aus, mein Herz“ aufgezählt werden: All das Gute, das Gott uns in seiner Schöpfung geschenkt hat. Deshalb wird dieses schöne Lied im kommenden Sommer wieder vielfach erklingen: Bei Gottesdiensten im Grünen, Gemeindefeiern, Gemeindekreisen, einfach mal so zu Hause, bei Taufen, Hochzeiten – und, ja, auch bei Beerdigungen.
Das werde ich immer wieder gefragt: Darf man das denn bei einer Beerdigung singen? Das liegt wohl daran, dass wir so oft nur die ersten drei oder vier, vielleicht mal noch die achte Strophe singen. Dabei wird schon in Strophe neun klar: Diese Strophen sind nur die Einleitung des Liedes; unsere Gärten sind nur ein blasser Vorgeschmack der Ewigkeit, die nach dem Tod auf uns wartet:
„Ach denk‘ ich, bist du hier so schön
und lässt du‘s uns so lieblich geh‘n
auf dieser armen Erden:
Was will doch wohl nach dieser Welt
dort in dem reichen Himmelszelt
und güld‘nen Schlosse werden!“
Und spätestens Strophe 15 macht‘s ganz klar, was der Zielpunkt Paul Gerhardts in diesem Lied ist:
„Erwähle mich zum Paradeis
und lass mich bis zur letzten Reis‘
an Leib und Seele grünen,
so will ich dir und deiner Ehr
allein und sonsten keinem mehr
hier und dort ewig dienen.“
So hoffe ich, dass Sie den Sommer so richtig genießen können – und vielleicht ab und zu daran denken, dass all das nur das Vorspiel für den Paradiesgarten ist.
Herzlich grüßt, auch im Namen von Superintendent Reitmayer, Vikar Reinecke und dem übrigen Redaktionsteam,
Ihr Pfarrer Johannes Heicke