„Wir werden einander viel verzeihen müssen“ – Wittlager Kreisblatt 20.07.2024

Seit knapp dreizehn Jahren bin in Pfarrer in Rabber und Blasheim, seit zwei Jahren auch in Schwenningdorf. Ende August gehe ich in den Ruhestand und verabschiede mich aus Ostwestfalen und dem Wittlager Land. Gemeinsam mit ihr ziehe ich in die Heimat meiner Frau, ins Ruhrgebiet.

Spannende Jahre waren es hier am Wiehen. Lange bevor vor dem Bürgerkrieg in Syrien Geflüchtete in großer Zahl in unser Land kamen, habe ich regelmäßig Taufkurse gegeben für Erwachsene, die aus dem Iran geflohen waren. Sie hatten sich von der dortigen Staatsreligion ab- und dem Gott zugewandt, den sie in der Bibel kennen gelernt hatten. Das war für sie zur Lebensgefahr geworden. Zeitweise hatten ein Zehntel unserer Gemeindeglieder Teheran als Geburtsort im Ausweis stehen oder Urmie oder Isfahan und nicht Melle oder Ostercappeln.

Dankbar bin ich, dass wir uns nicht zerstritten haben, als wegen des Corona-Virus unser Land und auch unsere Kirchengemeinden wie lahmgelegt waren. „Wir werden einander viel verzeihen müssen,“ sagte weitsichtig der damalige Gesundheitsminister. Wer in unklarer Datenlage Entscheidungen zu fällen hat, um Gefahren abzuwenden, muss damit leben, dass sich manches im Nachhinein als unnötig und manchmal auch als falsch herausstellt. „Wir haben euch deshalb viel vorzuwerfen,“ sagen darum so manche heute den damals Verantwortlichen. Dankbar bin ich, dass ich in den Kirchengemeinden einen gnädigeren Umgang miteinander erleben durfte.

Seit ich mich erinnern kann, habe ich sonntags in der Kirche für den Frieden gebetet. Aber die Orte, an denen Krieg herrschte oder Bürgerkrieg waren doch immer ziemlich weit weg. Vor zwei Jahren war das auf einmal ganz anders und sehr nah. Gemeindeglieder fragten um Unterstützung nach für Freunde und Verwandte, die vor Bomben und Granaten geflohen waren. So wurde unser Jugendheim für lange Zeit zur Flüchtlingsunterkunft und Gemeinderäume zum Lager für große und kleine Spenden.

Wir werden einander viel verzeihen müssen.“ Ich schaue auf die Zeit am Wiehen zurück und so manches fällt mir ein, von dem ich hoffe, dass die Betroffenen es mir nicht nachtragen. Tagtäglich bete ich zu Gott: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“. Ich tue das in der Gewissheit, dass am Ende, wenn es darauf ankommt, sich zwar vieles findet, das mir vorzuwerfen wäre, dass ich – geborgen in Gottes Liebe – aber sein Verzeihen erleben darf.

In der Lutherischen Kirche wurde das in die die Worte gefasst: „Wir sind Gott recht aus Gnaden um Christi willen durch den Glauben.“ Mit dieser Gewissheit habe ich auch hier in unseren Gemeinden am Wiehen und – so weit es mir möglich war – in der Öffentlichkeit gewirkt. Ich wünsche, dass auch Sie immer wieder einmal erleben dürfen, wie Ihnen verziehen wird und das zum Wegweiser auf Gottes Verzeihen wird. So verabschiede ich mich mit einem herzlichen „Gott befohlen“.

Bernd Reitmayer

André Knüpfer für zwei Jahre Pfarrvikariat gesegnet

André Knüpfer für zwei Jahre Pfarrvikariat gesegnet
Festlicher Gottesdienst in der Blasheimer Petruskirche

Pfarrvikar Knüpfer und Pfarrer Reitmayer mit Gliedern der Vorstände des Pfarrbezirks (Foto: Wolfgang Raupach)

Im Gottesdienst am 25. Februar wurde Pfarrvikar André Knüpfer in der Petruskirche in Lübbecke-Stockhausen für seinen Dienst in den drei Gemeinden des Pfarrbezirks Schwenningdorf / Rabber  /Blasheim gesegnet. Pfarrer Bernd Reitmayer nahm im Auftrag des Bischofs der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), Hans-Jörg Voigt, die Segenshandlung vor. Mitgestaltet wurde der Gottesdienst durch Lektorinnen und Lektoren der drei Gemeinden und vom Posaunenchor der Petrusgemeinde Blasheim unter der Leitung von Dirk Niedermeier. André Knüpfer hielt seine erste Predigt in seinen neuen Gemeinden.

André Knüpfer stammt aus Brasilien und ist mit seiner Ehefrau Ezí Gabriele de Abreu Macedo seit Ende Januar in Deutschland. Er hatte die SELK bei einem Studienaufenthalt in Oberursel und bei einem Langpraktikum in Wiesbaden kennen gelernt. Dort hatte er auch von der Personalnot der Kirche erfahren und seine Mithilfe angeboten.

Erstaunt zeigte sich Knüpfer, dass er als Berufsanfänger und aus dem Ausland kommend in einen der größten Pfarrbezirke der SELK entsandt wurde. Grund dafür ist wohl zum einen, dass sein Persönlichkeitspofil gut zu den Gemeinden am Wiehengebirge zu passen scheint, und zum anderen, dass Pfarrer Reitmayer bis zu seinem Ruhestand im September noch als Integrationspate zur Verfügung steht.

Bis dahin ist allerdings noch viel zu bewältigen: Vom Autokauf bis zur Wohnungseinrichtung, vom Intensiv-Deutschkurs bis zur Einarbeitung in eine deutsche kirchliche Organisation. Knüpfer und Reitmayer sind aber überzeugt „Wir schaffen das.“

9./10. Dezember: Konzert und Gottesdienst mit dem Rigaer Bläserquintett

Am 2. Adventswochenende geht es festlich zu in unserem Pfarrbezirk.

Am Samstag, den 09. Dezember 2023 ist das Rigaer Bläserquintett (ehemalige Blechbläsern der Rigaer Philharmoniker) um 19:00 Uhr mit einem Konzert in der Johanneskirche in Schwenningdorf (An der Kirche 1, Rödinghausen) zu Gast.

Am Sonntag, den 10.Dezember 2023 gestaltet das Riga Bläserquintett dann zusammen mit Bläsern aus Posaunenchören der Umgebung den Pfarrbezirks-Gottesdienst zum 2. Advent um 10:00 (!) Uhr in der Johanneskirche mit.

Herzliche Einladung zu Konzert und Gottesdienst!

Geistliches Wort Dezember 2024

Liebe Gemeindeglieder,
liebe Freundinnen und Freunde,

von Frieden und Freude sangen die Engel, als Jesus geboren wurde. Der palästinensische Schnitzer, der die Blasheimer Krippenszene geschaffen hat, hat seinen Figuren etwas von diesem himmlischen Frieden und der Freude der Engel mitgegeben. Das von ihm verwendete Olivenholz gilt als hart und widerspenstig. Es ist damit ein gutes Bild für unsere Herzen, die hart und widerspenstig werden, wo sie Unglück erleben.

„Nakba“ (das Unglück) nennen Palästinenser die Gründung des Staates Israel 1948 und den Krieg, mit dem Ägypten, Syrien, Libanon, Jordanien und Irak diesen Staat tags darauf wieder von der Landkarte tilgen wollten. Zum Unglück von Flucht und Vertreibung durch diesen Krieg kam das Unglück, dass niemand die Flüchtlinge bei sich haben wollte. Und so entsteht aus altem Unglück neues Unglück: „Es ist uns gelungen, die Palästinenserfrage wieder auf den Tisch zu bringen, und jetzt kommt niemand mehr in der Region zur Ruhe,“ sagte der Hamas-Führer Chalil al-Haja nach dem Überfall seiner Organisation auf Israel im Oktober. Die vielen Opfer auf palästinensischer Seite durch die militärische Reaktion Israels sei in den Augen von Hamas der notwendige Preis dafür. Und Taher El-Nounou ergänzt: „Ich hoffe, dass der Kriegszustand mit Israel an allen Grenzen dauerhaft wird und dass die arabische Welt auf unserer Seite steht.“

Inmitten dieser Welt, in der so aus altem Unglück immer neues Unglück zu werden scheint und die Herzen immer härter werden, werden in den nächsten Wochen aus alten Büchern die Worte des Engels von Freude und Friede vorgelesen, Posaunenchöre spielen „Vom Himmel hoch da komm ich her“ und „Welt ging verloren. Christ ist geboren.“

Und welch ein Glück ist es, wenn solche Worte in ein hart gewordenes Herz die Gestalt einen Kindes in der Krippe einprägen, in dem Gott Mensch wird. Welch ein Glück ist es zu erleben, dass so, mitten im Unglück, Orte des Friedens entstehen. Welch ein Glück ist es, wenn ein Palästinenser in einer Schnitzwerkstatt in Bethlehem mit den Worten „Euch ist heute der Heiland geboren!“ ein Krippenkind zu den übrigen Figuren stellt und damit selbst zu einem Boten der Weihnachtsfreude, ja, selbst zu einem Weihnachtsengel wird.

Mit einem herzlichen „Gott befohlen“ grüßt Sie Ihr
Bernd Reitmayer, Pfarrer

Geistliches Wort August 2023

„Christus in der Kelter“

Stau auf der Mosel – der große Schubverband, der vor unserem Ausflugsschiff in die Moselschleuse einfährt, braucht für das Manöver so lange, dass wir erst mit einer Stunde Verspätung ankommen. Eine Stunde weniger, um das für uns noch unbekannte Städtchen Cochem zu erkunden.

Wie gut, dass ich im Internet einen Audioführer entdeckt habe, der uns durch die Altstadt leitet. Ohne diesen Führer wären wir am Mosaik, das die Stadtgeschichte eindrücklich vor Augen führt, achtlos vorbeigelaufen. Wir hätten die Hochwassermarkierungen nicht gesehen und die ältesten Häuser der Stadt in den Seitengassen nicht entdeckt. Auch der traumhafte Blick vom Friedhof hinauf zur Reichsburg wäre uns verborgen geblieben. Ich bin dem Stadtführer auf meinem Mobiltelefon dankbar, dass er uns auf die „Pechnase“ an einem Stadttor aufmerksam macht. Ich lerne, dass ein mittelalterlicher Angreifer, der durch dieses Loch von oben brühend heiß übergossen wurde, „Pech gehabt“ hat.

Ich bin dankbar für Menschen, die mir wie mein Stadtführer den Blick für die Schönheit von Gottes Schöpfung öffnen, sodass ich neu singen kann „Mein Auge schauet, was Gott gebauet“: Das Vogelnest in der Hecke, die Blüte am Rosenbusch, die flügge werdenden Jungfalken am Kirchturm. Dankbar bin ich für Menschen, die mich zu neuem Staunen mitnehmen über das ganz Große und das ganz Kleine, die mir ihr eigenes Staunen beschreiben über den „Geschmack“ von Elementarteilchen zum Beispiel oder über die verblüffenden Einsichten, die man gewinnen kann, wenn man sich mit schwarzen Löchern beschäftigt.

Dankbar bin ich für Menschen, die mir neu vor Augen führen, wie dieses Staunen sich in den Geschichten der Bibel wiederfindet – vom allerersten „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde … und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut“ bis hin zum Letzten: „Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein.“

Dankbar bin ich darum auch meinem Cochemer Audioführer dafür, dass er meine Frau und mich in die St. Martinskirche führt. Staunend stehen wir vor farbigen Glasfenstern aus dem Jahr 2009, mit denen der britische Künstler Graham Jones uns zu einer Wanderung durch die Erzählungen der Bibel mitnimmt von Adam und Eva bis zur ewigen Herrlichkeit. Am meisten aber staune ich, dass in dem Glasfenster mit dem Leiden und Sterben Jesu dieser nicht am Kreuz, sondern in einer Weinkelter dargestellt ist. Wie die Trauben der die Stadt umgebenden Weinberge wird er ausgepresst, zu Tode gepresst. Wie Wein wird das Leben, das aus ihm herausgepresst wird, zu einem Lebenssaft für die, für die er sich so hingibt. Dankbar bin ich für diesen Glaskünstler, der mir mit einem für mich ungewohnten Bild neu vor Augen führt, wie Gott in Jesus auch für mich da ist (https://www.kirche-cochem.de/die-kirchen/st-martin-cochem).

Stau auf der Mosel – der Kapitän unseres Ausflugsschiffes kann es kaum glauben, dass wir auch auf der Rückfahrt eine Stunde vor der Schleuse warten müssen. Ich teile seine Ungeduld nicht, sondern bin schlicht dankbar für diesen Tag. Und ich wünsche auch Ihnen Menschen, die Sie immer wieder einmal mitnehmen zu staunender Dankbarkeit – nicht nur in den Ferien.

Bernd Reitmayer, Superintendent