Seit knapp dreizehn Jahren bin in Pfarrer in Rabber und Blasheim, seit zwei Jahren auch in Schwenningdorf. Ende August gehe ich in den Ruhestand und verabschiede mich aus Ostwestfalen und dem Wittlager Land. Gemeinsam mit ihr ziehe ich in die Heimat meiner Frau, ins Ruhrgebiet.
Spannende Jahre waren es hier am Wiehen. Lange bevor vor dem Bürgerkrieg in Syrien Geflüchtete in großer Zahl in unser Land kamen, habe ich regelmäßig Taufkurse gegeben für Erwachsene, die aus dem Iran geflohen waren. Sie hatten sich von der dortigen Staatsreligion ab- und dem Gott zugewandt, den sie in der Bibel kennen gelernt hatten. Das war für sie zur Lebensgefahr geworden. Zeitweise hatten ein Zehntel unserer Gemeindeglieder Teheran als Geburtsort im Ausweis stehen oder Urmie oder Isfahan und nicht Melle oder Ostercappeln.
Dankbar bin ich, dass wir uns nicht zerstritten haben, als wegen des Corona-Virus unser Land und auch unsere Kirchengemeinden wie lahmgelegt waren. „Wir werden einander viel verzeihen müssen,“ sagte weitsichtig der damalige Gesundheitsminister. Wer in unklarer Datenlage Entscheidungen zu fällen hat, um Gefahren abzuwenden, muss damit leben, dass sich manches im Nachhinein als unnötig und manchmal auch als falsch herausstellt. „Wir haben euch deshalb viel vorzuwerfen,“ sagen darum so manche heute den damals Verantwortlichen. Dankbar bin ich, dass ich in den Kirchengemeinden einen gnädigeren Umgang miteinander erleben durfte.
Seit ich mich erinnern kann, habe ich sonntags in der Kirche für den Frieden gebetet. Aber die Orte, an denen Krieg herrschte oder Bürgerkrieg waren doch immer ziemlich weit weg. Vor zwei Jahren war das auf einmal ganz anders und sehr nah. Gemeindeglieder fragten um Unterstützung nach für Freunde und Verwandte, die vor Bomben und Granaten geflohen waren. So wurde unser Jugendheim für lange Zeit zur Flüchtlingsunterkunft und Gemeinderäume zum Lager für große und kleine Spenden.
„Wir werden einander viel verzeihen müssen.“ Ich schaue auf die Zeit am Wiehen zurück und so manches fällt mir ein, von dem ich hoffe, dass die Betroffenen es mir nicht nachtragen. Tagtäglich bete ich zu Gott: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“. Ich tue das in der Gewissheit, dass am Ende, wenn es darauf ankommt, sich zwar vieles findet, das mir vorzuwerfen wäre, dass ich – geborgen in Gottes Liebe – aber sein Verzeihen erleben darf.
In der Lutherischen Kirche wurde das in die die Worte gefasst: „Wir sind Gott recht aus Gnaden um Christi willen durch den Glauben.“ Mit dieser Gewissheit habe ich auch hier in unseren Gemeinden am Wiehen und – so weit es mir möglich war – in der Öffentlichkeit gewirkt. Ich wünsche, dass auch Sie immer wieder einmal erleben dürfen, wie Ihnen verziehen wird und das zum Wegweiser auf Gottes Verzeihen wird. So verabschiede ich mich mit einem herzlichen „Gott befohlen“.
Bernd Reitmayer